Blog 21, Abenteuer 2022, Teil 3, Mittelmeer

Start in die dritte Etappe. Tag 10 und 11 im Atlantik

Die letzten Meilen vor Gibraltar. Die hatten es in sich. Eigentlich sollte der Wind sei 25kn aus dem Kanal heraus. Machbar wenn auch nicht all zu angenehm. Eigentlich…
Die Tatsache war permanent zwischen 35 und 45kn Wind und ich verzeichnete sogar eine Spitzenwindgeschwindigkeit von 56kn. Da ist er der orkanartige Sturm. Der Autopilot war natürlich meistens nicht mehr zu gebrauchen und ich segelte von Hand. In den letzten Tagen habe ich weder gegessen noch wirklich geschlafen und leider habe ich auch keine Fotos machen können. Es war sehr sehr eindrücklich… Ich kam gestern kurz nach Mittag im Hafen Barbate an, der einzige Hafen, den ich aufgrund des Windes anlaufen konnte, und schloss meinen Transatlantik ab. Es brauchte einen Moment, bis ich dies überhaupt begriffen habe… Danach machte ich klar Schiff. Alles war durcheinander und am Boden verteilt. Natürlich schoss auch in einer Welle meine Schraubenkiste mit all den ersatzschrauben aus dem Schäftchen und verteilte sich grosszügig über die ganze Schiffsfläche. Am Abend traf auch meine Mutter ein und für den letzten Teil habe ich tatkräftige Unterstützung. Ich bin sehr froh über dieses Paar Hände mehr.

Wir sind bereits wieder los und versuchen heute die Strasse von Gibraltar zu passieren. Im Moment haben wir 35kn scheinbarer Wind und machen 5kn Fahrt unter Maschine. Die Wellen sind zu heftig, dass der Autopilot den Kurs zu halten vermag und meine Mami sitzt am Steuer. 

14.06.22 endlich im Mittelmeer

Gestern Abend erreichten wir leider die Tankstelle in Gibraltar zu spät und so entschlossen wir uns dort zu übernachten. Daraus wurde nichts, da uns der Custom um Mitternacht fortschickte. Wir ankerten kurzerhand vor dem Hafen in Alcadeisa bei knapp 5 Meter. Die Ankerwinsch funktioniert noch. Nur die Fernbedienung hatte etwas viel Wasser geschluckt. Mittlerweile ist diese auch wieder trocken…

Noch vor der eigentlichen Öffnungszeit erhielten wir 177 Liter Diesel und vor allem noch viel wichtiger 10 Liter Öl. Jetzt sind wir mit Top Speed unterwegs nach Frankreich. Haben etwa 1-2 Bf und fast Spiegelglatte See. Delfine sind überall und eine Schule kam uns während etwa 2 Minuten besuchen. Das war toll und auch das erste Mal so nah, seit ich die Anduril habe…

Ich habe meine Freude wieder gefunden und fühle mich sehr erholt und voller Tatendrang. Beim Autopiloten habe ich noch an meiner Reparatur ein Feintuning vorgenommen und jetzt reagiert er etwas besser. Dennoch braucht er die Gummizüge und fährt ordentlich zick zack…

Aktuell: 8kn scheinbarer Wind und 8kn Fahrt unter Maschine mit Grosssegel. Noch 675nm bis Toulon 

15.06.22, Tag 2

Gestern wurden wir mit Spiegelglattem Meer belohnt und insgesamt sind uns sieben Mal Delfine besuchen kommen. Unter anderem wurde das Schiff von einem ausgewachsenen in Begleitung eines jungen Delfins begutachtet. Der Wind nahm in der Nacht zu und der Himmel war verhangen. Zeitweise war es etwas neblig jedoch vermochte der Mond dennoch alles zu erhellen, sodass man kein künstliches Licht brauchte, um Segel zu richten oder sich zurecht zu finden. Ich habe den Luxus, dass ich in der Nacht auch die Augen zumachen kann und weiss, es wird geschaut. Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Mutter wie sie sich diesem Abenteuer stellt und mich sehr unterstützt. Es ist auch sehr schön wieder in Begleitung unterwegs zu sein.

Wir verbrennen etwas viel Diesel, um die Geschwindigkeit zu halten und müssen sicherlich morgen oder übermorgen wieder Tanken gehen. Wir planen mal optimistisch, dass wir in Ibiza zur Tanke gehen. Im Moment sind wir beim Cabo de Gata. Das ist ein Kap, welches bei den Hippies beliebt ist. Aber anscheinend ist diese Gegend auch für die Fischer beliebt. Wir müssen viele Radar-Alarme quittieren und ständig ein Auge draussen haben. Ebenfalls für den lieben Autopiloten der immer wieder gerne, urplötzlich, Kurs in Richtung Klippen hält.

Aktuell: 14kn scheinbarer Wind (auf die Nase) und 6kn Fahrt. Noch 540nm bis Toulon 

16.06.22, Tag 3

Gestern Nacht habe ich anhand des Verbrauchs, der Geschwindigkeit und der zu fahrenden Distanz die nächste Tankstelle eruiert. Ibiza ist weggefallen, da wir mitten in der Nach ankommen würden. Entsprechend wählte ich einen strategisch günstigen Platz an der spanischen Küste. Die Wahl hat sich als gut bestätigt. Wir kamen um 1510 an und die Tankstelle öffnete, trotz Fronleichnam, pünktlich nach der Siesta um 1530 Uhr. Bei der Einfahrt waren alle Läden zu, die Lokale vergittert und mir graute schon, wieder ein Tag zu verlieren, da evtl. hier der Feiertag praktiziert würde. Ich konnte meinen 200 Litertank wieder auffüllen. Ich tankte 192 Liter. Hatte also noch für zwei Stunden Diesel. Bis Ibiza wäre das wohl knapp gewesen. Da hätte ich die 40 Liter in den Reservekanistern auch noch benützen müssen. Danach ging es weiter und ich genoss noch ein Videocall mit meinen Kids. Der Autopilot steuert den ganzen Tag nicht und so musste immer jemand den Kurs halten. Am Abend als wir die Nachtwache anfingen kam Wind auf und ich setzte die Genua. Ab diesem Zeitpunkt steuerte der Autopilot wieder gerade so stark, dass er den Kurs halten konnte. Jetzt wurde gerade wieder die Wache abgelöst. Draussen leuchten die Sterne und wir können die Lichterverschmutzung von Ibiza deutlich sehen. Der weitere Plan ist wieder an der spanischen Küste zu tanken und dann den letzten Schlag quer zum Löwengolf zu meistern und am Sonntagmorgen am Zielhafen anzukommen.
Am Montag dann das Schiff übergeben zum Auswassern und mit dem Zug nach Hause zurück in die Komfortzone

Aktuell: 7kn scheinbarer Wind; 6kn Fahrt mit Grossegel und Maschine. Noch 340nm bis Toulon 

17.06.22, Tag 4

Die Nacht war sternenklar und der nicht mehr ganz volle Mond erhellte die ruhige Nacht. Der Autopilot hält weiterhin knapp den Kurs und wir hüten uns davor irgendeine Kursänderung vorzunehmen. Zum Glück brauchen wird das vorerst auch noch nicht zu machen. Querab sehen wir in der Ferne die Gebirge von Mallorca. Das Meer ist spiegelglatt und so haben wir auch schon wieder Delfine bei der Jagt sehen können. Weiterhin brummt der Motor und schiebt uns kräftig vorwärts. Wir geniessen die Ruhe und die Sonne und lassen die Zeit so vorbei ziehen. Der Wechsel vom kühlen Atlantikwetter zum warmen Mittelmeerwetter ist eindrücklich. Das Meer sowie die Luft ebenfalls sind mehr als 10 Grad wärmer.
Aktuell 8kn scheinbarer Wind von vorne und knapp 6kn Fahrt.
Noch 240nm bis Toulon 

18.06.22, Tag 5

Die Nacht war wieder sternenklar und durch den Mond der Blutrot am Horizont aufging, hell beleuchtet. Der Tankstopp ist bereits erledigt und es geht mit rappelvollem Tank auf die Zielgerade. In zwei Stunden sollten wir sogar noch Wind zur Hilfe erhalten und der Bordcomputer zeigt keine 24 Stunden mehr an. Mit etwas Wehmut, dass dieses grosse Abenteuer schon bald zu Ende ist, freue ich mich aber unbeschreiblich wieder auf Zuhause und den Luxus durchzuschlafen auch wenn der Wecker am Dienstagmorgen um 6 läuten wird um auf die Arbeit zu gehen…

Aktuell: 11kn scheinbarer Wind und 6 kn Fahrt.
141 Seemeilen bis Toulon 

19.06.22 Ankunft am Zielhafen

Zirka um 0800 kamen wir am Zielhafen an. Beide waren ziemlich erschöpft, denn in der Nacht hatten wir mit 4-5 Bf und steilen, kurzen, unangenehmen Wellen einen letzte Kraftakt zu meistern. Der Autopilot funktionierte natürlich gar nicht mehr.

Nichts desto trotz ging es direkt nach dem Frühstück ans Aufräumen und klar Schiff machen. Um 1800 war dann soweit alles erledigt und die Anduril stand nackt da um einen wohlverdienten Landurlaub anzutreten.

Erschöpft hiess mich dann relativ früh das Kissen willkommen und ich konnte wiedermal eine unterbrechungsfreie Nacht geniessen.

Total 5500 Seemeilen. Davon 3334 Einhand gesegelt.

Tolles Abenteuer. Rückblickend habe ich jede einzelne Minute genossen und es fühlt sich richtig und gut an. Auch die leidvollen, anstrengenden, endlosen Minuten im Sturm. 

20.06.22 Rückreise

Die Abgabe des Schiffs klappt und wir fahren mit dem Taxi an den Bahnhof. Dort nehmen wir ein Ticket nach Marseill weil der TGV Schalter erst um 1200 öffnet. Auf dem Weg nach Marseille buchen wir online zwei der noch drei verfügbaren Plätze. Jedoch fährt der Zug erst um 1534 los weil alle früheren schon ausgebucht waren. In Lyon mussten wir umsteigen. Dort hatten wir nicht viel Zeit, es war super heiss und hatte sehr viele Leute. Wir kämpften uns mit unserem Gepäck durch die Menge und kontrollierten das Perron. Dort angekommen war der TGV nach Paris. Ich kontrollierte noch einmal an der Anzeigetafel das Perron und dachte noch dass dies ein zügiges Einsteigen geben wird. So war es dann auch. Wir konnten den Zug noch betreten bevor er auch schon pünktlich los fuhr. Nach etwa zwei Stunden kam die Konduktorin. Und da kam es aus…
Es gab in letzter Minute einen Gleis/Zugwechsel den wir im ganzen Trubel weder gehört noch gesehen haben. Wir waren im falschen Zug und anstatt nach Osten nach Westen gefahren… kein Weg zurück für diesen Tag.
Shit.
In Clerment-Ferrant angekommen nehmen wir ein Hotel, gehen essen und legen uns kurz hin. Quasi eine Nachtwache lang…
Um 3 geht der Wecker und um 0402 fährt der Flixbus nach Lyon. Von dort geht es nach einem kurzen Aufenthalt weiter nach Freiburg. Das hätte jetzt wirklich nicht sein müssen…

Ein weiteres kleines Abenteuer am Ende eines Abenteuers… 

21.06.22 Zuhause

Mit dem Flixbus hat alles bestens geklappt. Mit 22 Minuten verspätung ging es nach Hause. Umsteigen und auch das letzte Stück mit Zug und Postauto hat gut geklappt. Jetzt ist es Endgültig. Abas-Abenteuer 22 ist beendet. Sehr erfahrungs- und erfolgreich.

Danke euch allen für die Unterstützung und all die lieben Nachrichten und Glückwünsche.